Autore­nar­tikel des Pro­jek­ts [:tax­e­les]

Das in der Über­schrift erwäh­nte The­ma ist eines der Schlüs­selthe­men des let­zten, erstaunlich kuriosen, Jahres — und um genauer zu sein, sind es sog­ar zwei.

Schauen wir uns das erste und an der Ober­fläche liegende, zumin­d­est medi­al, The­ma an, welch­es in alle Hör­barkeit aus allen Rohren dröh­nt : „Nord Stream 2“. Wie der Name selb­st darauf hin­deutet, ist dieses Pro­jekt nicht das erste, son­dern eine Fort­set­zung des Nord-Stream-Pro­jek­ts, dessen Bau von Rus­s­land und Deutsch­land schon vor vie­len Jahren, im fer­nen 1995, geplant wurde.

Mehrere Län­der der Europäis­chen Union haben ihre Hoheits­gewäss­er als Tran­si­traum zur Ver­fü­gung gestellt, was unter geopoli­tis­chen Gesicht­spunk­ten über­mäßig kost­spielig und riskant erscheinen mag. Schließlich gibt es in diesem Fall gle­ich mehrere poten­zielle Risiko­fak­toren in Form der einzel­nen Tran­sitlän­der. Aber wenn wir uns an die früheren Erfahrun­gen mit dem Tran­sit von rus­sis­chem Gas nach Europa durch die Ukraine erin­nern, kön­nen wir schnell erken­nen, dass die schein­bar ein­fach­ste Lösung nicht immer die beste ist. Wed­er Rus­s­land als Expor­teur von Erdgas, noch Deutsch­land als Impor­teur dieses Gas­es in Europa, wollen sich weit­er in Geisel­haft nehmen lassen für monop­o­lis­tis­che Tran­sit­spiele, wie im Fall der Ukraine. Auch wenn im Fall des Nord-Stream-Pro­jek­ts gle­ich fünf Tran­sitlän­der auf­tauchen, soll­ten wir nicht vergessen, dass die Pipeline-Rohre selb­st dies­mal auf dem Meeres­bo­den ver­laufen wer­den und nicht, wie im Fall der Ukraine, über Land und für jeden Oli­garchen zur freien Nutzung und zum Abpumpen der begehrten Ressource zugänglich.

Und obwohl all diese Län­der bere­its zu einem gemein­samen Wirtschaft­sraum der Europäis­chen Union zusam­mengeschlossen sind, der sein­er­seits im Falle eines Fall­es auch die Gefahr von Absprachen gegen Rus­s­land birgt, hat jedes von ihnen, vor allem, eigene Inter­essen, was die Bil­dung ein­er Ein­heits­front gegen den größten Gas­ex­por­teur des Plan­eten erschw­ert. Damit wird deut­lich, dass selb­st wenn die Gefahr von Kartellab­sprachen und Block­ierung von Pipelines durch Tran­sitlän­der beste­ht, es erstens in diesem Fall für diese Län­der selb­st äußerst destruk­tiv wäre, weil die Pipelines direkt nach Deutsch­land gehen und bere­its von dort aus das Gas an diese Tran­sitlän­der verteilt wird, und zweit­ens, keines dieser Län­der dem Beispiel der bünd­nis­freien Ukraine fol­gen und wed­er die EU noch Rus­s­land durch Block­ierung des Tran­sits um irgendwelche Präferen­zen erpressen kann.

Wer sich let­ztes Jahr hätte ein­mis­chen kön­nen und sich in der Tat offen in den Bau weit­er­er Pipelines eingemis­cht hat, das ist der genan­nte ältere Brud­er der Ukraine — die USA. Natür­lich kön­nten wir davon aus­ge­hen, dass die USA selb­st einige wirtschaftliche Inter­essen am Tran­sit vom rus­sis­chen Gas durch die Ukraine habe (denken Sie nicht an Biden Jr.) und die USA deshalb beschlossen habe, die arme ver­nach­läs­sigte und ver­ratene Ukraine nicht nur aus Altru­is­mus und Für­sprache für die Schwachen zu schützen, son­dern auch um ihre eige­nen Inter­essen zu wahren, da ihr “eigenes Hemd näher am Kör­p­er“ sei.

Jeden­falls haben wir alle let­ztes Jahr die unver­hohle­nen Ver­suche der USA gese­hen, in Form von direk­ten Sank­tio­nen auch gegen Bau­un­ternehmer, den Bau von Nord Stream 2 zu stop­pen. Diesel­ben USA zögerten nicht, poli­tis­chen Druck auf die Europäis­che Union auszuüben und z.B. hochrangige Poli­tik­er sowohl in Deutsch­land selb­st als auch in Polen anzus­tacheln, das Pro­jekt aus der Europäis­chen Union her­aus zu ruinieren.

Was hat Polen damit zu tun, wer­den Sie sich fragen ?

Polen wurde ver­sprochen, das Land zu wer­den, das US-amerikanis­che Flüs­sig­gas importiert, und sie baut­en sog­ar einen dafür notwendi­gen Hafen. Wir wer­den nicht auf die Details dieses Aben­teuers einge­hen, aber die Zweck­mäßigkeit dieses alter­na­tiv­en Pro­jek­ts offen­bart mehr Fra­gen als Antworten auf die wirtschaftlichen und ökol­o­gis­chen Her­aus­forderun­gen von heute.

Offen­sichtlich ist das Nord Stream 2‑Projekt auch deshalb bis nach Deutsch­land vorge­drun­gen, weil es keine adäquat­en Antworten auf diese ökonomis­chen und ökol­o­gis­chen Fra­gen gab, was wiederum einige Kräfte dazu ver­an­lasste, ein noch größeres und riskan­teres Wag­nis einzuge­hen, um die Sit­u­a­tion irgend­wie zu ret­ten — sie mussten die europäis­chen Poli­tik­er und die ein­fache Bevölkerung von der Notwendigkeit überzeu­gen, den Bau zweier zusät­zlich­er Pipelines zu stop­pen, indem sie dem Pro­jekt und jedem und allem, was damit ver­bun­den ist, wirtschaftliche und per­sön­liche Sank­tio­nen aufbürdeten.

Nicht nur das — die USA ver­suchen seit Monat­en offen und laut­stark, die Beziehun­gen der EU zu Rus­s­land zu kap­pen (welche die USA von den europäis­chen Energiemärk­ten auszuschließen dro­hen), indem sie die Europäer über die Medi­en davon zu überzeu­gen ver­suchen, drin­gend fast alle Beziehun­gen zu einem ange­blich man­is­chen und bar­barischen Rus­s­land abzubrechen, welch­es ein Land ist, das klug genug ist, Atom­reak­toren zu bauen und Raketen in den Orbit zu schick­en, aber nicht klug genug sein soll, um sein eigenes wirtschaftlich wichtiges Pro­jekt zur Stärkung sein­er Posi­tion auf den EU-Energiemärk­ten nicht zu sabotieren, indem es das Leben eines sein­er eige­nen Bürg­er bedrohe…

Aber lassen wir die Ironie bei­seite und gehen wir zum zweit­en der Haupt­the­men des kuriosen Jahres 2020 über, welch­es die USA aktiv im Kampf um ihre Präsenz auf dem eura­sis­chen Kon­ti­nent zu instru­men­tal­isieren ver­suchen — die Beziehung zwis­chen Deutsch­land und Russland.

Lei­der wurde darüber im deutschen Medi­en­raum nichts veröf­fentlicht, was aber das eigentliche Pro­jekt des Deutsch­land­jahres in Rus­s­land 2020/2021 nicht außer Kraft set­zt. Im Rah­men dieses Pro­jek­tes lud das Goethe-Insti­tut in Rus­s­land die Bürg­er unseres Lan­des ein, ihren Ein­fall­sre­ich­tum und ihre Tal­ente zu zeigen und ihre pos­i­tive Ein­stel­lung zu dem einen von den ältesten Län­dern, wirtschaftlichen und kul­turellen Part­nern Rus­s­lands, zum Aus­druck zu brin­gen. Deutsch­land selb­st ist kein homo­genes Land, und während einige poli­tis­che Kräfte von außen den oben erwäh­n­ten Kräften nachgeben, ver­suchen andere poli­tis­che und kul­turelle Kräfte, die jahrhun­derteal­ten fre­und­schaftlichen Beziehun­gen zwis­chen den bei­den Machtzen­tren in Europa zu erhal­ten und zu stärken.

In Moskau wur­den zahlre­iche Kun­stausstel­lun­gen vor­bere­it­et, um sie nach Berlin und dann nach Paris zu trans­portieren. Viele ver­schiedene Foren wur­den organ­isiert, um den Bürg­ern bei­der Län­der die Möglichkeit zu geben, miteinan­der über die ver­schieden­sten The­men der Gegen­wart und des Zusam­men­lebens zu sprechen. All diese Ereignisse wur­den organ­isiert und teil­weise real­isiert. So wurde in Moskau die erste Ausstel­lung deutsch­er und europäis­ch­er Kün­stler und Kreativ­er in der Tret­jakow-Galerie eröffnet — aber das let­zte Jahr wäre keine Kuriosität, wenn es nicht noch nie dagewe­sene Aben­teuer gegeben hätte. Die weltweite Pan­demie, die zu einem teil­weisen Ein­frieren aller inter­na­tionalen Reisen, des Aus­tauschs und der Kom­mu­nika­tion führte, ver­schonte auch das Deutsch­land­jahr in Rus­s­land nicht.

Aber ganz gle­ich, wie die objek­tive Welt­lage durch eine Pan­demie oder einzelne Sab­o­tagev­er­suche skru­pel­los­er Wirtschaft­skonkur­renten Rus­s­land und Deutsch­land den Weg in die Allianz versper­ren mögen, unsere gemein­same jahrhun­derte­lange Geschichte, in allen Far­ben gemalt, auch in Braun und Rot, hat mehr als ein­mal bewiesen, dass wir Wege oder Rohre zueinan­der find­en und bauen und in Kon­takt bleiben wer­den, wenn auch eine Zeit lang nur über das Internet.

 

Autore­nar­tikel des Pro­jek­ts [:tax­e­les]